Dienstag, September 26, 2006

Ten Years Ago.

Von Neil, Montag, 25. September 2006, 20.56 Uhr

Vor Zehn Jahren.

Das war die Einleitung, die ich für Mike Fords Buch From the End of the Twentieth Century geschrieben habe, vor zehn Jahren.

...

Bezüglich Theoretischer Ingenieurwissenschaft, mit Anmerkungen zu Erforschung, dem Verstreuten Werk von John M. Ford, und einer Nicht Verifizierten und Leicht Skatologischen Anekdote über Freud oder Jemanden Wie Ihn.


...und so versammeln wir uns hier, um John M. Ford (geb. 1957 und noch immer sehr lebendig) zu feiern -- nicht den elizabethanischen Stückeschreiber John Ford (1586-1639), auch nicht den Filmregisseur John Ford (echter Name Sean O'Feeney) (1895-1973), obwohl sie ihn einrahmen wie sie einige seiner frühen Romane eingerahmt haben, sondern den gleichnamigen Schriftsteller des späten zwanzigsten Jahrhunderts -- und die unmittelbare Metapher, die sich dabei aufdrängt, ist peinlicherweise gänzlich beschissen.

Es ist eine halb vergessene Anekdote über Freud oder Jung oder einen dieser gescheiten, lang-bärtigen deutschen Kerle, der - zumindest in der Anekdote - von einem aufstrebenden jungen Mann gefragt wurde, wie er (der aufstrebende junge Mann natürlich, nicht einer dieser Gehirn-lastigen Kerle) in seinem Tätigkeitsfeld berühmt werden könnte.

Und Freud oder Jung sagte: "Du scheißt immer an die gleiche Stelle."

Was einem in den Sinn kommt, wenn wir aufhören, uns darüber zu wundern, warum Mike Ford (das John ist stumm, wie in M. John Harrison) nicht so bekannt ist wie eine Menge anderer Schriftsteller, die um einiges weniger fähig und tausend Mal weniger gut sind.

Das ist ein Mann, der den mit dem World Fantasy Award ausgezeichneten Roman The Dragon Waiting (dt. Der Thron des Drachen) geschrieben hat; der den besten SF Jugendroman geschrieben hat, seit Heinlein mit Jugendromanen aufgehört hat, Growing Up Weightless; der meinen liebsten Spion-Intrigen-und auch Christopher Marlowe-Roman geschrieben hat, The Scholars of Night; der nicht nur einen sondern zwei erstaunlich brilliante Star Trek Romane geschrieben hat -- der eine, The Final Reflection (dt. Der letzte Schachzug), ein Erstkontakt-Roman aus Sicht der Klingonen, der andere, How Much For Just The Planet? (dt. Was kostet dieser Planet?), eine wirklich lustige musikalische Farce -- und beide Bücher dafür verantwortlich, neue Parameter für Star Trek Lizenzvergebung gesetzt zu haben, die hauptsächlich bestanden aus "Er konnte ungestraft damit davonkommen, weil wir nicht daran gedacht haben, Regeln dagegen aufzustellen, aber jetzt, wo er damit durchgekommen ist, wird niemand anderes das mehr machen können."; der preisgekrönte Gedichte geschrieben hat -- eine seiner Weihnachtskarten hat einen World Fantasy Award für die Beste Kurzgeschichte gewonnen; der 1980 mit 23 Jahren einen Cyberspace Roman veröffentlicht hat, der Neuromancer, Web of Angels vorweggenommen hat.

Sie beginnen zu sehen, hoffe ich, was einer dieser bärtigen deutschen Kerle, die ich oben erwähnte, wahrscheinlich als das Problem bezeichnen würde.

Und falls nicht, lesen Sie dieses Buch.

Es ist vergleichbar damit, in ein Kaleidoskop einzutauchen, oder Post von entlegenen Abteilungen der Bibliothek von Babel zu erhalten -- oder mit Mike Ford zu reden.

Mike Ford persönlich ist seit über einem Jahrzehnt mit mir befreundet: er ist ein warmherziger, brillianter Mann mit einem für gewöhnlich leicht komischen Gesichtsausdruck, der in ein entzücktes, jungenhaftes Grinsen übergeht, wenn ihm eine Verbindung einfällt, auf die vor ihm noch niemand gekommen ist, was recht häufig passiert. Er ist einer der wenigen Menschen, die echt keine hochnäsigen Vorstellungen von gehobener und minderwertiger Kultur hat: er spricht beide dieser Sprachen und kann zwischen ihnen übersetzen. (Er hat einmal einen Tippfehler auf der Einladung zu meiner alljährlichen Lagerfeuer-Party als Grundlage für ein kurzes (und - erstaunlicherweise - aufgeführtes) musikalisches Drama
genommen -- angesiedelt irgendwo zwischen Rodgers und Hammerstein, und Sellers und Yeatman.)

Schauen sie sich die gesammelten Leckereien aus über 15 Jahren an:

Die Aufsätze enthalten 'Rules of Engagement' -- eine wunderbare Studie darüber, welche Beziehung Leser zu einem Text entwickeln (unter Benutzung seines eigenen umstrittenen How Much For Just The Planet? (dt. Was kostet dieser Planet?) als ein typisches Beispiel); 'From the End of the Twentieth Century', in welchem er über die Namensgebung von Zügen und Fantasy und das Theater spricht, und uns einen Schlüssel zu Werk von John M. Ford anbietet:

"Die künstlerische Aufgabe ist, die Dinge klar und zugänglich darzustellen, und ihnen dennoch Platz zu lassen, über ihre wörtliche Bedeutung hinauszuwachsen," sagt er uns, präzise und weise.

Natürlich ist sie das. Und wie ein Seiltänzer, ein Bäckermeister oder das ursprüngliche 'Mission: Impossible' Team, lässt er es so leicht aussehen.

Die Prosa in dieser Sammlung enthält die neue Geschichte 'Here to Get My Baby Out of Jail', die sich als gar keine neue sondern eine seiner ältesten Geschichten herausstellt; 'Intersection' and 'Mandalay', zwei (von vier) Alternities Geschichten, die einen wünschen lassen, er würde die anderen schreiben; 'Walkaway Clause', welche eine Liebesgeschichte ist; 'Waiting For the Morning Bird' welche, wie der Autor klarstellt, nur teilweise erfunden ist.

Und es gibt Lieder -- richtige Liedtexte, die gesungen werden können. Eine Warnung allerdings vorweg -- während man die meisten von Fords Anagrammen und Referenzen mit einer Encyklopädie der Fabeln und Redensarten, einem guten Wörterbuch und ein wenig Glück klären kann, muss ich selbst gestehen, dass ich noch immer völlig im Unklaren über die Identität von of Ilen dem Magian bin, der 'Monochrome' in How Much For Just The Planet? (dt. Was kostet dieser Planet?) gesungen hat. Aber bei Gott, es ist trotzdem ein gutes Lied.

Wenn es draußen kälter wird und die Nächte kürzer werden, dann bringt mir der Postbote das neueste Produkt Theoretischer Ingenieurwissenschaft, adressiert in feiner Schönschrift, teils Weihnachtskarte, teils Volksbuch, immer limitiert (so heißt es) auf einhundert nicht-nummerierte Exemplare. Und man schätzt sich glücklich, nie ganz sicher, was man erhalten wird. Zum Beispiel:

Eine Prosa-Gedicht-Meditation über die Träume von Satelliten, in Bewegung und transzendent, hoch über dem Milchwald.

Eine Tour durch Shakespeares Historien, präsentiert von einer Reihe toter Stückeschreiber, einen Dick de Bartolo hinlegend, mit und für Gilbert und Sullivan und Frank Loesser, zusammen mit der ein oder anderen Villanelle.

Eine Studie über Mythos-Konstruktion -- den Aufbau von Mythen und die Konstrukteure von Mythen, -- mit Daedalüs und seinem Sohn Linkshänder.

Und was die nächste Weihnachtszeit bringen wird, weiß nur einer. Einige dieser Schriften sind hier zu Ihrem Vergnügen zusammengetragen.

Eindeutige Beweise, dass John M. Ford kein Autor ist, der sich auf ein kleines Feld beschränkt, und alles auf einem Platz stapelt.

Andererseits...

Beim Lesen der Arbeiten in diesem Buch (und ich meine nicht nur 'Mandalay') fiel mir ein anderer Autor ein, dessen Werk Kurzgeschichten, Massenliteratur, SF, Fantasy und Abenteuer, Romane, Gedichte, Lieder, Parodien und Kinderliteratur umfasste -- der Autor von 'The Married Drives of Windsor', einer shakespearischen Kaprice über Autos, in denen alle Hauptcharaktere des guten alten Will vorkamen, der Höhepunkt seiner Kollektion über Motorsport 'The Muse Among the Motors', geschrieben im Stil der großen Dichter der Geschichte. Da ist etwas von Kipling in John M. Ford: die Ruhelosigkeit, und die Bereitschaft zu spielen, formelle Dichtung und Prosa zu erkunden, der Drang in Richtung Parodie, und die Fähigkeit, schamlos zu Tränen zu rühren. Wie Ford hat er alles gemacht, aber sein Kernthema waren Menschen, und was in ihnen vorgeht -- was in uns allen vorgeht. Schauen Sie sich 'Walkaway Clause' oder 'Waiting For the Morning Bird' an.

Und wenn man darüber nachdenkt, was mit Kipling passiert ist, ist es beruhigend zu sehen, dass die Gehirn-lastigen anekdotenhaften deutschen Kerle, um es ganz offen zu sagen, manchmal nur Scheiße reden.

Denn John M. Ford ist nicht nur ein Schriftsteller, sondern eines Schriftstellers Schriftsteller. Wir können uns glücklich schätzen, ihn zu haben. Und während manche Autoren damit zufrieden sind, in ihrem Kämmerchen zu hocken und sich für eine Leserschaft zu wiederholen, die genau weiß, was sie will (id est, was auch immer sie das letzte Mal gehört und gemocht hat), macht John M. Ford neue Ufer ausfindig, wie ein elizabethanischer Kapitän, oder ein Wildwest-Pioneer, oder der Mann in Kiplings Gedicht 'The Explorer', der eine Stimme vernahm 'so schlecht wie das Gewissen'...

In einem immer währenden Flüstern Tag und Nacht wiederholend -- dies:
"Etwas Verborgenes. Geh und finde es. Geh und schau hinter den Horizont-
"Etwas Verlorenes hinter dem Horizont. Verloren und auf dich wartend. Geh!"

Und der aufbrach, um nachzusehen.


Neil Gaiman. Winter 1996.


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