Freitag, Dezember 08, 2006

Sell your certainty and buy bewilderment...

Von Neil, Dienstag, 05. Dezember 2006, 18:09 Uhr

Verkauft Eure Sicherheit und kauft Verwunderung...

(Meine Entschuldigung an all die, die ein Problem mit der .M4a Datei von gestern hatten. ITunes oder Quicktime sollten sie abspielen. Auf der gerade eben erstellten Seite http://www.neilgaiman.com/works/audio/stardust gibt es eine MP3-Datei.)

Dave McKean hat 33 neue Mirrormask Zeichnungen für die Leder-Sonderausgabe des signierten und limitierten Mirrormask Drehbuchs. Ihr könnt alle Zeichnungen hier kostenlos ansehen(obwohl es euch etwas kosten wird, das Buch mit der tatsächlichen Zeichnung zu kaufen). Klickt auf die Verkleinerungen, um die ganzen Seiten zu sehen.

Und was Mr McKean angeht, es freut mich, bekannt geben zu dürfen, dass Dave und ich am Donnerstag, dem 11. Januar 2007, im Walker Art Center, 1750 Hennepin Avenue, Minneapolis, eine "Unterhaltung" haben werden. Diese Free Verse Veranstaltung "feiert 20 Jahre künstlerische Zusammenarbeit dieses Duos--Gaiman und McKean werden beide kurz ihr Werk vorstellen und sich dann auf der Bühne über die ästhetischen Herausforderungen, denen sie zusammen und getrennt entgegentreten, unterhalten."

Auf http://raintaxi.com/readings/ können wir lesen, dass "diese Veranstaltung zwar kostenlos ist, aber dennoch Eintrittskarten verlangt werden. Karten sind ab einer Stunde vor Veranstaltungsbeginn an der Walker Kasse erhätlich. Die Veranstaltung wird auch live im Internet übertragen und auf channel.walkerart.org archiviert. "

...

Es ist immer komisch, eine Kritik zu lesen, die einem nichts weiter zeigt, als dass die Person, die sie geschrieben hat, keine Ahnung hat, wovon sie spricht. Ein typisches Beispiel ist die New Yorker Kritik des Mary Poppins Theaterstücks (welches ich vor ein paar Jahren in London gesehen habe und welches einiges zu wünschen übrig ließ, hauptsächlich weil es versuchte, ein Teil der Welt von P.L. Travers zu sein, ohne auch nur ein Stück von Disney abzuweichen, welches aber in einigen anderen Aspekten, manche davon ebenfalls im Zusammenhang mit Disney, sehr gut war.). Aber die Kritik im New Yorker scheint davon völlig unberührt. Ein Beispiel: Nach der Lektüre der Bücher von P. L. Travers oder dem Ansehen des Films von 1964 mit Julie Andrews, wundern wir uns, ob Mary Poppins die Kinder in ihrer Obhut dadurch zu besseren Menschen macht, weil sie, wie sie am Anfang der Show singt, "praktisch perfekt” ist, oder ob sie eine Rattenfänger-ähnliche Fantastin ist, die sich auf die realitätsfernen Wünsche ihrer Mündel stürzt. Geht es nur um sie oder nur um die emotional formende Kraft der Liebe?
und natürlich wundern wir uns das nicht, falls wir die Bücher gelesen haben, weil es ganz offensichtlich um nichts dieser Art geht. Als der Kritiker sich beschwerte, dass "sich diese Mary Poppins zu keiner Zeit die Hände in einem Becken Dickensianischem Spülwassers schmutzig macht, fragte ich mich, was der fragliche Kritiker bloß dachte, was Gouvernanten zu Zeiten Edwards VII tatsächlich taten. Sie waren keine Dienstmädchen. Sie gehörten zur Familie ohne Teil von ihr zu sein. Das war der ganze Sinn.

Und natürlich ist Mary Poppins -- in den Büchern --nicht tatsächlich "praktisch perfekt", obwohl sie diese Meinung von sich hat. Sie ist eingebildet, gefährlich, unerbittlich und eine Naturgewalt. Sie bringt dem Banks Nachwuchs nichts so banales wie moralische Lektionen näher, und ich glaube nicht, dass irgendwer in den Büchern eine emotionale Formung durchmacht, vielleicht einige glückliche Leute ausgenommen, die vor ihren Leben weglaufen können oder aus körperlicher Haft befreit werden (und das passiert mehr in den Geschichten, die Mary Poppins den Kindern erzählt, als in den Büchern selbst).

(Komisch ist, dass es einen exzellenten Artikel aus dem letztjährigen New Yorker über P.L. Travers und Mary Poppins und Walt Disney gibt -- http://www.newyorker.com/fact/content/articles/051219fa_fact1-- der viel mehr Sinn macht und klarstellt, dass:

die literarische Mary Poppins auf keinen Fall ein beruhigender Charakter ist. Ganz im Gegenteil verdient sie sich am Ende des ersten Kapitels - in dem sie als eine Figur, die in einer Böe gegen die Tür geschleudert wird, ankommt, die Form einer Frau annimmt, Frau Banks so einschüchtert, bis sie eingestellt wird, die Kinder anblafft, und sie mit einem geheimnisvollen Trank behandelt, als sie sie allein im Kinderzeimmer erwischt - nur ein qualifiziertes Indossament: “Und obwohl sie sich manchmal nach den ruhigeren, normaleren Tagen sehnten, als Katie Nanna noch den Haushalt führte, war jeder im großen Ganzen doch froh über Mary Poppins Ankunft.” Sie ist sogar recht häufig verärgert, bedrohlich, verächtlich, und einschüchternd. Sie bezeichnet die Kinder als Kannibalen, schubst sie die Treppe herunter und zwingt sie, so schnell zu essen, dass sie Angst haben, zu ersticken. Sie hat die Angewohnheit, die Kinder vor schrecklichen übernatürlichen Erfahrungen zu retten, das stimmt, aber das wäre ein größerer Vorteil, wenn sie nicht erst für diese Erfahrungen sorgen würde, als Strafe für Bösartigkeit. Oft wirkt sie wie jemand, der Kinder nicht besonders mag.)

Und ich habe überhaupt erst darüber nachgedacht, weil ich die dämliche New Yorker Kritik am gleichen Tag gelesen habe, wie ich meine Exemplare von Myth, Symbol, and Meaning in Mary Poppins - The Governess as Provocateur bekommen habe, eine wundervolle und brilliante Studie von Professor Giorgia Grilli über das Wesen von Mary Poppins in den Büchern und über Magie, Schamanismus, und darüber, was Gouvernanten eigentlich waren, und wie präzise und subversiv die Figur der Mary Poppins eigentlich ist.



Das Buch ist wahrscheinlich zu teuer für Einzelne, aber falls ihr Interesse habt, könntet ihr ein Exemplar über eure Bücherei bestellen. (Außerdem hat es eine Einleitung von mir, aber lasst euch davon nicht abhalten.)


Site Meter